Samstag, 23. Oktober 2010

Volmondnacht

Vollmondnacht

In dunkeler Nacht am Himmelzelt ein wunderbarer Schein.

Der Vollmond ist erwacht und mit ihm zieht eine illustere Schar durch die Nacht.

Er raubt dem Verstand, die Klarheit, packt die Seele am Schopfe und verdreht ohne Pardon das Sein.

Manche Liebe erwacht in diesen Stunden, entflammt die Herzen in strahlendem Zauber. Beglückt die Seele, lässt schweben durch die Nacht.

Andere hingegen ertränken ihren Kummer und irgendwann zu früher Stunde kommt der Verstand abhanden. Die Geister des Unsinns treiben ihren Unfug mit den Betrunkenen.

Kühlschränke sind der Plünderung preisgegeben und am nächsten Tag kommt das böse Erwachen. Die Waage zeigt unbarmherzig die sündigen Pfunde.

An manchen Stellen brodelt ein Kessel mit Eifersucht; Geschirr wird in Wut entzweigeschlagen. Böse Worte folgen wie eine Maschinengewehrsalve gegen den vermeintlichen Feind.

Die Träumer zieht es hinaus in die Nacht, ständig nach dem Monde blickend, verzückt in ihrer eigenen Welt der Fantasie.

Alles scheint möglich und nichts scheint mehr wahr.

Aus den tiefsten Tiefen des Inneren steigen, böse Dämonen vergangener Tage auf und verpesten die Nacht.

Zwietracht wird gesät, längst vergessene Gräben wieder ausgehoben. Fäuste fliegen, Besoffene liegen in ihren Pfützen.

Endlich setzt die Morgendämmerung diesem Treiben ein Ende, zarte Sonnenstrahlen beginnen, die Nacht zu vertreiben.

Ein neuer Tag erwacht, so als sei nicht das Geringste geschehen in der letzten Nacht.

Der Vollmond zieht sich zufrieden zurück. Es ist ihm wieder einmal gelungen, diese Menschenseelen durcheinanderzuwirbeln, sie ihrer Sinne zu berauben und ihnen seine Wünsche einzuflüstern.

So mancher wird noch Tage an seinen Wunden laborieren, Gelenke werden schmerzen, das Gedärm wird rebellieren und der Hausfrieden wird auch nur langsam zurückkehren.
Die Träumer werden unsanft auf dem Boden landen, ihre schönen Träume dabei zerplatzend wie die Seifenblasen.

Die Verlorenen der Nacht finden sich schnarchend auf ihren Kopfkissen wieder. So manche Blauschicht wird stattdessen an diesem neuen Tag gefahren.

So langsam kehrt das wahre Leben zurück.

Am Himmel aber steht in seinem Versteck der Mond und strahlt in voller Bescheidenheit.

Leise säuselt er, fast liebevoll und zart:

„Wartet, nur Freunde! Ich werde euch bald auf ein Neues bescheren, dann wirbele ich euere Gefühle wieder durcheinander. Lasse euch ein weiteres Mal den Verstand für eine Nacht abhandenkommen.“

© Bernard Bonvivant, Schriftsteller

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